Heute leben wir im “Anthropozän,” das Zeitalter des Menschen. Der Mensch wird zum entscheidenden Einfluss auf biologische, geologischen, and atmosphärischen Prozesse. Heute wissen wir es, der Mensch ändert nicht nur sich selbst durch das Schaffen von Kultur und Technik, sondern die ganze Welt. Dieser Prozess ist schon lange im Gange. Er begann schon vor 3 Millionen Jahren – eine kurze Zeit in der Erdgeschichte! – als ein Hominid einen Stein in die Hand nahm. Er oder sie arbeitete auf dem Stein und arbeitete mit dem Stein, und eine Axt entstand. Dieses vollkommen neuartige Ding, das nicht mehr nur Stein war und unzertrennlich mit dem Hominiden verbunden war, änderte die Welt. Die Axt änderte nicht nur den Menschen, der dadurch zu einem Jäger, einem Krieger oder einem Bauer wurde, sondern verlor sein jüngferliches, rein natürliches Dasein und wurde zu einem Artefakt. Seitdem wird die ganze Welt, Stein für Stein, Wald für Wald, Ozean für Ozean zu Artefakten, untrennbar verwoben mit den Menschen und seine Tätigkeiten. Man spricht von Geoengineering, genetische Engineering und nicht nur das Engineering von Maschinen, Häuser, und Städte. Es gibt nichts, nicht einmal das Weltall, das zunehmend voll Schrott wird, dass nicht in diesem Transformationsprozess eingebunden wäre. Man kann schon die Worte Voltaires zum Herzen nehmen, man solle seine Gärtlein pflegen, aber das Gärtlein ist inzwischen zur Welt gewachsen und die Frage, wie soll man diese Weltgarten «pflegen» ist von zentraler Bedeutung geworden.
Im nächsten Nr. der CRN widmen sich die Forscher von Nienetwil dieser Frage, denn, um diese Frage zu beantworten braucht es Visionen. Visionen sind nicht Beschreibung der Welt, wie sie ist, sondern wie sie sein könnte, und vielleicht sein sollte. Nach alter Tradition heissen solche Visionen Utopien. Dies ist Nienetwil. Aufgrund des heutigen Wissens über die Nienetwiler Kultur spielt bei den Nienetwilern «Design» eine wichtige Rolle. Denn die Menschen der Frühgeschichte waren vor allem Designers. Um ein Artefakt herzustellen, auch wenn nur eine einfache Steinaxt, muss man nicht bloss «machen», sondern man muss Vieles in Betracht ziehen. Es geht nicht bloss um Funktionalität, die durch Design verschönert wird. Es geht um den ganzen Prozess der Weltänderung, die damit in
Gang gesetzt wird. Design heute ist schon lange nicht mehr ein blosses ästhetisches Add-On zu funktionalen Gegenständen. Heute wird alles unter den Begriff «Design» subsummiert. Wie Bruno Latour sagt, die Bedeutung von Design «hat sich erweitert von den Details alltäglichen Gegenständen hin zu Städten, Landschaften, Nationen, Kulturen, Körper, Gene, und der Natur selbst.». Heute sprechen wir von Business-Design, Design Thinking, Designer Babys und nicht nur das Design von technischen Artefakten oder Kulturgegenständen. Die sozio-technischen Netzwerke in denen wir heute – und in Zukunft noch mehr – leben, seien es Kommunikations-Netzwerken, Verkehrs-Netzwerken, Energie-Netzwerke, Smart Häuser und Smart Cities etc., sind alle in komplexen Prozessen von Design entstanden. Wir sind überzeugt, «Design» wird zum zentralen Begriff des 21. Jahrhunderts. Der Kölner Professor für Design Peter Friedrich Stefan hat sicher Recht, wenn er sagt, Designers sind nicht Superhelden. Aber wenn es Superhelden gebe, dann müssten sie guten Designers sein. Dies führt zu den Fragen: Was ist Design? Was ist gutes Design? Die nächste Nummer der Cahiers de recherches de Nienetwil nimmt diese Fragen auf und bietet unerwartete Antworten.
- Inhaltsverzeichnis CRN 1-2020-1
- Einleitung der Herausgeber
- Vorwort
- Das Nienetwil-Projekt
- Was ist «visionäre Vergangenheitsforschung»?
- Biografie von d’Aciel Arbogast I.
- Die Stellung des Handwerks und Werkzeugs in der Nienetwiler Kultur
- Biografie Amot Nussquammer sen.
- Einführung in die Nienetwiler Kultur von Amot Nussquammer sen.
- Briefverkehr zweier Freunde und Streithähne
- Ursprung der Nienetwiler Kultur
- Biografie Nomis Arbogast
- Fundbeschreibung und eine kleine Zeitreise in die Nienetwiler Kulturgeschichte
- The Alaju Settlement – Auszug aus der Autobiografie
- Ausblick CRN Nr. 2
- Impressum-Autoren CRN 1-2020-1