Liebe Leserin, lieber Leser
Der Begriff Macht ist wieder in aller Munde. Die Machtbestrebungen von Nationen und Konzernen beschäftigen die Menschen in der ganzen Welt. Doch was ist Macht? In dieser Ausgabe der «Cahiers de recherches de Nienetwil» beschäftigen wir uns eingehend mit dieser Frage aus verschiedenen Perspektiven.
In seinem Vorwort breitet David J. Krieger das Spektrum des Themas aus und betrachtet Macht insbesondere aus der Sicht der Nienetwiler Kultur. «Eine kurze Geschichte der Macht», so der Titel des darauf folgenden Artikels, gibt einen kurzen Überblick auf die Machtsysteme in der Geschichte. Einen einzigartigen Einblick in das Verhältnis zu Macht aus der Sicht eines Jesuiten-Missionars bei den Cree-Indianern in Kanada gibt dessen Tagebuch, das von 1850 bis 1852 entstanden ist. Seine Einträge zeigen auf, dass die indigenen Völker Nordamerikas das Machtverständnis Europas und insbesondere die hierarchische Struktur Gott–Mensch nicht nachvollziehen konnten, da sie ihrer Weltsicht völlig fremd waren (und es bis heute sind). Dem Artikel folgt der Bericht der archäologischen Abteilung des Kantonsmuseums Luzern, die das Tagebuch wissenschaftlich untersucht hat.
Unter dem Titel «Über die Natur der Macht» sprach 1974 Amot Nussquammer jun. an einem Treffen im Haus seiner Mutter Miribal Ciséan. Zugegen waren unter anderen Heinz von Foerster, Humberto Maturana und Ernst von Glasersfeld: alles hochrangige Wissenschaftler und Akteure in der Forschung um die Kybernetik. Auch David J. Krieger hat – noch als Student in Chicago – dieser Zusammenkunft beigewohnt und ein Protokoll verfasst, das wir hier wiedergeben.
Macht ist auch in der Skandaj-Geschichte «Wie odo und teneak das Rechnen erfanden» ein Motiv: Sie schildert eingängig, dass die Sentenz «Wissen ist Macht» aus der Sicht der Nienetwilerinnen und Nienetwiler eine etwas andere Bedeutung hat als im europäischen Kulturkreis.
In der Rubrik zur Sprache behandeln wir die drei Alaju-Wörter tu, katatehe und home, die einen Bezug haben zum Verständnis von Macht bei den Nienetwilerinnen und Nienetwilern.
Dass die Skandaj, also jenes Nienetwiler Volk, das seit Jahrtausenden quasi eine Parallelkultur lebt, auch über das Machtverständnis des Westens Bescheid wussten und offenbar – darauf lässt der vorliegende archäologische Fundbericht zu zwei Häusern in Pompeji schliessen – auch zu hohen Vertretern der Macht im antiken Rom diplomatische Beziehungen unterhielten, ist in unserer Rubrik zur Ur- und Frühgeschichte nachzulesen. Den Abschluss macht auch dieses Mal ein Auszug aus der Autobiografie von Miribal Ciséan, die in diesem Teil von ihren letzten Jahren in Paris und der Flucht nach Chicago erzählt.
Wir hoffen, dass diese Ausgabe der «Cahiers de recherches de Nienetwil» Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, eine neue Sicht auf das Thema Macht eröffnet und Sie inspiriert, sich dem Machtverständnis der Nienetwilerinnen und Nienetwiler anzunähern.
Viel Vergnügen!
Simon Meyer
- Inhaltsverzeichnis CRN 3-2021-2
- Editorial CRN 3-2021-2
- Vorwort CRN 3-2021-2
- Eine kurze Geschichte der Macht
- Das Tagebuch des Jesuiten S.P.
- Untersuchungsbericht
- Über die Natur der Macht
- Wie odo und teneak das Rechnen erfanden
- Die Alajuwörter tu katatehe und home
- Die Funde in den Häusern 6 und 7 in Pompeji
- The Alaju Settlement - Teil 3
- Ausblick auf CRN 4-2022-1
- Impressum und Autoren
- Editorial CRN 3-2021-2